Umsatzsteuerbefreiung für Privatkliniken
17.10.2009
Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2009
Zum 1.1.2009 sind die Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften für Heilbehandlungen der Krankenhäuser geändert worden. Der für derartige Leistungen maßgebliche neue § 4 Nr. 14 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) bezieht sich in starkem Maße auf Vorschriften des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V). Differenziert wird zwischen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen (Krankenhäusern), deren Heilbehandlungen grundsätzlich steuerbefreit sind und anderen, nicht öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, die beispielsweise in der Rechtsform der GmbH betrieben werden. Letztere kommen in den Genuss der Umsatzsteuerbefreiung, wenn es sich gemäß § 14 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG um Krankenhäuser i.S.v. § 108 SGB V handelt und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung bezieht.
§ 108 SGB V [Zugelassene Krankenhäuser] zählt die Krankenhäuser auf, die - ver-kürzt ausgedrückt - bei einer Behandlung gesetzlich krankenversicherter Personen einen unmittelbaren Vergütungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse haben, ohne dass es einer individuellen Kostenübernahme bedarf. Hierbei handelt es sich um Universitätsklinika, Krankenhäuser, die in einen Landeskrankenhausplan aufgenommen wurden (Plankrankenhäuser), und Krankenhäuser, mit denen ein Versorgungsvertrag gemäß § 109 SGB V abgeschlossen wurde (sog. Vertragskrankenhäuser).
Einer Privatklinik, die nicht nach § 108 SGB V zugelassen ist, wird hingegen nach der gesetzlichen Neuregelung die Umsatzsteuerbefreiung selbst dann verwehrt, wenn sie die gleichen Leistungen (Regel- und/oder Wahlleistungen) erbringt wie eine öffentlich-rechtliche Klinik oder eine SGB-zugelassene Klinik.
Gegen diese Ungleichbehandlung sind bereits während des Gesetzgebungsverfah-rens von den Verbänden erhebliche Bedenken vorgetragen worden. Infragegestellt wird die Europarechtstauglichkeit der Neuregelung, da § 14 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG ganz offensichtlich nicht mit den europarechtlichen Vorgaben des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), welcher die Umsatzsteuerbefreiung für Krankenhäuser regelt, im Einklang stehe. [Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL gilt die Steuerbefreiung für Heilbehandlungsleistungen, die von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen oder von anderen Krankenanstalten unter Bedingungen, die mit diesen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, erbracht werden.] Das deutsche Umsatzsteuerrecht hat diese Vorgaben zu beachten. Bei einem Verstoß kann sich ein deutscher Steuerpflichtiger auf das für ihn günstigere Europarecht berufen.
Zwischenzeitlich hat die Finanzverwaltung (vgl. Hessisches FinMin. v. 12.6.2009, OFD Münster v. 15.6.2009) in einer Billigkeitsregelung den (zweifelhaften) Versuch unternommen, die Europarechtskonformität der Neuregelung herzustellen. Hiernach können - contra legem - die Leistungen einer Privatklinik auch nach dem 31.12.2008 unter den Voraussetzungen von § 14 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. und § 67 Abs. 2 Abgabenordung (AO) [Einhaltung der sog. 40%-Regelung] als umsatzsteuerfrei behandelt werden, wenn eine Zulassung des Krankenhauses nach § 108 SGB V nur deshalb nicht möglich ist, weil für dieses Krankenhaus im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Bedarf besteht und dies durch einen entsprechenden Ablehnungsbescheid nachgewiesen wird. In allen anderen Fällen soll es bei der Versagung der Umsatzsteuerbefreiung für die Privatklinik b-leiben.
Verwaltungsvorschriften sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) grundsätzlich nicht geeignet, die Europarechtswidrigkeit einer nationalen Norm zu heilen. Die europarechtlichen Bedenken gegen die Neuregelung des § 14 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG werden durch die Verwaltungsauffassung nicht ausgeräumt. Nach unserer Rechtsauffassung sollten betroffene Steuerpflichtige prüfen, ob sie sich in einschlägigen Fällen auf das für sie günstigere Europarecht berufen wollen.
Die gesetzliche Neuregelung eröffnet allerdings auch gestalterische Optionen. Wenn § 14 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG für eine Privatklinik infolge der Gesetzesänderung ab dem 1.1.2009 nicht mehr greift, so steht der Umsatzsteuer-pflicht für die Heilbehandlungsleistungen der Klinik das Recht zum Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen gemäß § 15 UStG gegenüber. Insbesondere für den Fall, dass größere Investitionen geplant sind, kann es daher wirtschaftlich sinnvoll sein, sich - selbst wenn dies möglich wäre - nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit nach höherrangigem Europarecht zu berufen.
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