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Grenzüberschreitende Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten in der EU

Verlustabzug bei Doppelbesteuerungs-abkommen
BFH klärt weitere Zweifelsfragen

Die grenzüberschreitende Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten innerhalb der EU ist eines der zentralen Themen des Europäischen Steuerrechts und war bislang mit zahlreichen Zweifelsfragen behaftet. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei aktuellen Urteilen vom 9.6.2010 (Az. I R 107/09 und I R 100/09) nun erneut zu einigen dieser Streitfragen Stellung bezogen.

Der Hintergrund ist folgender: Erwirtschaftet ein inländischer Steuerpflichtiger, z.B. eine in Deutschland ansässige GmbH (Stammhaus), aus einer ausländischen Betriebsstätte Verluste, dann kann er diese negativen Einkünfte im Inland mit den steuerpflichtigen positiven Einkünften regelmäßig nicht ausgleichen (verrechnen). Hat Deutschland mit dem Betriebsstättenstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen, sind die betreffenden negativen Einkünfte ebenso wie positive ausländische Einkünfte im Inland üblicherweise aufgrund der sog. Freistellungsmethode steuerfrei (sog. Symmetriethese des BFH für Fälle von „Freistellungsbetriebsstätten“). Dieser Grundsatz gilt auch innerhalb der Europäischen Union. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in der Rechtssache „Lidl Belgium“ (EuGH v. 15.5.2008 - C-414/06, EuGHE I 2008, 3601) gilt dieser Grundsatz der symmetrischen Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättengewinne und -verluste im Stammhausstaat jedoch dann nicht (mehr), wenn die in der ausländischen Betriebsstätte erzielten Verluste im betreffenden Betriebsstättenstaat nach dessen nationalen Steuerrecht endgültig nicht berücksichtigt, d.h. verwertet werden können (sog. Finalität), da nunmehr in der Nichtzulassung der Verluste zum Verlustabzug durch den Stammhausstaat ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV (jetzt Art. 49 AEUV) zu sehen sei (Benachteiligung von Auslands- gegenüber Inlands[betriebsstätten]verlusten). Zu den näheren Voraussetzungen eines solchen Abzugs, insbesondere den Anforderungen an eine Verlustfinalität sowie zur Frage, in welchem Veranlagungszeitraum ein entsprechender Verlust ausnahmsweise in Ansatz gebracht werden kann, waren dem EuGH-Urteil indessen keine belastbaren Aussagen zu entnehmen. Auch die im Anschluss ergangene Folgeentscheidung des BFH vom 17.7.2008 - I R 84/04 konnte aus bereits im Sachverhalt angelegten Gründen  keine abschließende Klärung bringen.

Nachdem die Finanzverwaltung bereits die Lidl-Folgeentscheidung des BFH mit einem Nichtanwendungserlass belegt hatte (vgl. BMF v. 13.7.2009 - IV B 5  - S - 2118 - a /07/10004, bekräftigte sie ihre Rechtsauffassung nochmals im Rahmen einer Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 19.2.2010 - S - 1366.1.1-3/10 St32. Nach der dort vertretenen Auffassung gibt es im Ergebnis keinen Anwendungsfall für einen „finalen“ Verlust, denn der Stammhausstaat sei weder in den Fällen der zeitlich begrenzten Verlustnutzungsmöglichkeit im ausländischen Betriebsstättenstaat noch im Falle der Aufgabe, der Veräußerung oder Einbringung der ausländischen Betriebsstätte gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, die Verluste zum Abzug zuzulassen.

Der BFH hat nun in den beiden oben zitierten Entscheidungen - in beiden Fällen ging es um negative Einkünfte aus in Frankreich unterhaltenen Betriebsstätten - Leitlinien festgelegt, in welchen Fällen finale Auslandsverluste vorliegen und in welchem Veranlagungszeitraum diese geltend gemacht werden können.

Der BFH kommt im Streitfall I R 100/09 zu dem Ergebnis, dass es an einer Verlustfinalität  fehle, wenn der Betriebsstättenstaat  nur einen zeitlich begrenzten Verlustvortrag zulässt und die Verluste in diesem Zeitraum tatsächlich nicht im Betriebsstättenstaat genutzt werden können. Der Stammhausstaat sei in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vereinheitlichungs- und Harmonisierungsmaßnahmen nicht verpflichtet, entsprechende Verlustrestriktionen des Betriebsstättenstaates zu importieren. Im hier entschiedenen Fall wurde die verlustbringende Betriebsstättentätigkeit (erst) nach Ablauf der in Frankreich geltenden fünfjährigen Verlustvortragsmöglichkeit eingestellt. Die Klage der inländischen Kapitalgesellschaft hatte somit keinen Erfolg. Im Streitfall I R 107/09 wurde die Betriebsstätte hingegen zwei Jahre vor Ablauf des Fünfjahreszeitraumes aufgegeben. Der BFH entschied hier zugunsten der klagenden Kapitalgesellschaft, dass für Fälle des Wegfalls der Verlustnutzungsmöglichkeiten aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten, wie z.B. der Aufgabe der Betriebsstätte, der Stammhausstaat verpflichtet sei, die in Folge und unter Berücksichtigung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen des nationalen Rechts des ausländischen Betriebsstättenstaats dort definitiv keiner anderweitigen Berücksichtigung mehr zugänglichen Verluste ausnahmsweise zum Abzug zuzulassen. Der BFH überträgt den Fall der Aufgabe der Betriebsstätte auch auf die insoweit gleich gelagerten Vorgänge der Umwandlung der Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft und ihrer entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung, denn nur diese Einordnung entspreche dem „ultima-ratio“-Gedanken der EuGH-Rechtsprechung (vgl. Rs. Lidl-Belgium).

Bezüglich der weiteren Frage, wann ein festgestellter finaler Verlust im Stammhausstaat zum Abzug zuzulassen ist, entscheidet sich der BFH mit dem Argument der einfacheren praktischen Handhabung für eine ausschließliche Möglichkeit der Geltendmachung im Veranlagungszeitraum der Verlustfinalität, also nicht für den Zeitraum der Verlustentstehung. Schließlich überträgt der BFH die ausnahmsweise bestehende Verpflichtung des Stammhausstaates zur Berücksichtigung von finalen ausländischen Betriebsstättenverlusten auch mit Wirkung auf die Gewerbesteuer, da in derartigen Fällen die finalen Verluste auf die Ausgangsgröße für die Bemessung der Gewerbesteuer, also auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb bzw. auf das zu versteuernde Einkommen, durchschlagen.

Praxisfolgen:
Mit den vom BFH gefundenen Lösungswegen bezüglich des praktischen Anwedungsbereichs der EuGH-Entscheidung Lidl definiert er Fälle, bei deren Vorliegen von finalen, d.h. im Inland beim Stammhaus abzugsfähigen ausländischen Betriebsstättenverlusten auszugehen ist. Insoweit werden der generellen Abwehrhaltung der Finanzverwaltung Grenzen gesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die Entscheidung I R 107/09 des BFH wiederum mit einem Nichtanwendungserlass versieht oder diese durch Veröffentlichung im Bundessteuerblatt anerkennt.

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Steuerberater
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